Heiko Kunert wurde 1976 in Wanne-Eickel geboren und wuchs zwischen Stade und Cuxhaven auf. Er ist Geschäftsführer des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg (BSVH). Mit knapp zwei Jahren erkrankte er an einem Tumor in der Netzhaut (Retinoblastom) und war mit sieben Jahren blind. Er besuchte das Gymnasium der integrativen Heinrich-Hertz-Schule für Blinde und Sehbehinderte in Hamburg und zog später in eine Wohngemeinschaft der (vormaligen) Hamburger Blindenanstalt (heute: Blindenstiftung). Nach seinem Studium der Politikwissenschaft an der Universität Hamburg und einer Weiterbildung zum PR-Berater kam er 2009 zum Blinden- und Sehbehindertenverband Hamburg (BSVH) und damit auch zur Behindertenbewegung. Für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des BSVH nutzt er besonders die sozialen Netzwerke. Er engagiert sich für kommunalpolitische Belange und setzt sich für eine inklusive barrierefreie Gesellschaft ein. Darüber hinaus fordert er einen Perspektivwechsel, um die besonderen Stärken behinderter Menschen mehr in den Blick zu nehmen.

Ich erinnere mich an eine Klassenfahrt, bei der ich das Verhalten der Lehrer gegenüber den blinden Mitschülern nicht immer optimal fand. Es gab danach eine Klassenfahrtzeitung, für die jeder einen Artikel schreiben sollte zu irgendeinem Thema im Zusammenhang mit der Klassenfahrt. Da habe ich – das war wohl in der 7., Anfang der 8. Klasse – das Thema Umgang mit den blinden Schülern aufgegriffen und auch Kritik geäußert. Der Artikel hat es dann auch auf den Elternabend geschafft. Damals hatte ich gar nicht bewusst darüber nachgedacht, es musste einfach irgendwie raus. Aber im Nachhinein betrachtet war das ja schon ein Engagement, ein Eintreten für unsere Belange gewesen. Es hat auf jeden Fall zu einer Diskussion geführt und zur Reflexion angeregt.

Als Drittes fällt mir ein: dass ich mir mehr Selbstbewusstsein in der Behindertenszene wünsche, dass man sich bei der Selbsthilfe-Interessenvertretung für Menschen mit Behinderung auch mal traut, auf den Putz zu hauen, dass man Konfrontationen nicht scheut. Natürlich sagt sich das leicht. Viele Menschen mit Behinderung sind es von Anfang an gewohnt, dass sie immer auf den Goodwill von anderen angewiesen sind, dass sie quasi betteln müssen um Teilhabe. Das macht natürlich auch etwas mit den Menschen, auch mental. Nichtsdestotrotz brauchen wir gerade deshalb starke Organisationen, die bereit sind, öffentlich sichtbar für unsere Belange zu kämpfen.

Ich glaube, das ist eher eine Frage, wie man sich der Behinderung stellt und wie man sich damit auseinandersetzt, dass jemand eine Behinderung hat: Sehe ich als erstes die Dinge, die jemand nicht kann? Oder sehe ich zuerst auf das, was er kann? Und da gibt es natürlich bei allen Menschen mit Behinderung auch Stärken – andere Stärken. Da ist die Gesellschaft auch zum Umdenken gefordert.

Das ganze Interview finden Sie hier als PDF